Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten

Bauleitbild der Gemeinde Weyarn

Dass das Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten die Stärken unserer Struktur ausmacht, war ein wesentlicher Erkenntnisprozess. Damit hat sich auch das Problem gelöst, das daraus entstand, dass man auf die Erkenntnis zunehmender Arbeitslosigkeit mit dem Ruf nach Gewerbegebieten reagiert hat.
Aus der Erkenntnis der dörflichen Qualität des Nebeneinanders von Wohnen und Arbeiten einerseits und dem großen Grundstücksvorrat der Gemeinde hat sich das Leitbild entwickelt, dass Weyarn kein zentrales Gewerbegebiet ausweist, sondern aufgrund der Tradition und der geographischen Situation (21 Dörfer im Gemeindegebiet) dezentrales Gewerbe fördert.

Das hat dazu geführt, dass sich der Gemeinderat darauf eingelassen hat, von Dorf zu Dorf zu gehen, die Strukturen genau anzuschauen und nachzuschauen, wo es vertretbare Standorte für welche Arten von Qualitäten von Gewerbe gibt und wie es gelingt, diese dorthin zu bringen. Wir haben uns auf den mühseligen Weg der Einzellösungen, der Maßanzüge für jedes Dorf eingelassen und begonnen, an den Anzügen von der Stange achtlos vorbeizugehen. Wir haben festgestellt, dass dies im Gegensatz zu Schneidereien auch noch der preisgünstigere Weg ist.
So können jeweils passende Betriebe in den Dörfern angesiedelt werden (zwischenzeitlich sind es 5). Die Gemeinde hilft dabei mit Einbringung des eigenen Grundstücksvorrats zum Tausch von Grundstücken, da häufig die landwirtschaftlichen Verkäufer nicht an Geld, sondern an landwirtschaftlichen Flächen interessiert sind. 
Mit vertraglichen Sicherungen wird gewährleistet, dass die Auswirkungen solchen Gewerbes einerseits und die Auswirkungen des dörflichen Lebens auf die Gewerbebetriebe andererseits jeweils zu dulden sind. 

Dieses Gewerbebauleitbild hat dazu geführt, dass intensiver darüber nachgedacht wird, welche gewerblichen Entwicklungen der Gemeinde nutzen und welche ihr schaden. So sind Anträge von Fast Food-Unternehmen auf Errichtung eines autobahnnahen Zentrums mit Tankstelle und Autohof ebenso abgelehnt worden wie die Erstellung eine großen Supermarktes vor den Toren des Ortes. 

Wir haben den Wert der kleingewerblichen Struktur erkannt und vor allem dabei festgestellt, dass es den Dörfern und den Menschen die dort wohnen, nichts nützt, wenn sie nur zum Anhängsel privatrechtlich genutzter Verkehrsachsen werden.

Wohlgemerkt: Der Platz wäre schon da neben der Autobahn. Er wäre wohl auch verfügbar, weil er überwiegend der Gemeinde gehört. Da gäbe es auch gutes Geld. Aber der Gemeinderat meinte, wir sollten uns nicht gesichtslos machen. Es gibt auch Grundstücke, die ihren Wert darin haben, dass sie frei bleiben und nicht baulich genutzt werden.

Das hat nichts mit Verweigerungshaltung zu tun. Die Arbeitsplätze, die diese Vorschläge von Großkonzernen bringen würden, die schaffen wir mit der dezentralen Ansiedlung qualitativ passender Betriebe in den einzelnen Dörfern in genau dem gleichen Umfang. Darüber hinaus ist es auf diese Weise gelungen, den Wert der alten Augustiner-Chorherren-Klosteranlage, die 1803 säkularisiert worden war, wieder in den Mittelpunkt nicht nur des Interesses zu rücken sondern auch des Lebens. Diese dominante Klosteranlage im Ort, deren Nutzung in den letzten Jahrzehnten immer problematischer wurde, war Gegenstand intensiver Überlegungen der Gemeinderäte und der Arbeitskreise. Der Wert dieser Klosteranlage wurde wieder erkannt. Es wurde auch erkannt, dass zu dieser Klosteranlage nur bestimmte qualitative Aspekte passen, die in Lagerhallen und Autohöfen sich nicht manifestieren konnten. Letztlich war dies ein Grund mit, warum es gelungen ist, das Kloster zu resäkularisieren. Zwischenzeitlich ist es der deutsche Provinzsitz des Deutschen Ordens, der das Kloster im Jahr 1998 erworben hat, und mittelfristig beabsichtigt es zu einem klerikalen Zentrum einerseits und zum Zentrum der wirtschaftlichen Aktivitäten des Deutschen Ordens andererseits auszubauen. Damit wäre ein wesentlicher Aspekt des Gewerbekonzepts, nämlich auch die Nutzung vorhandener Bausubstanz beispielhaft gelungen. Weiteres Ziel ist es, in landwirtschaftlichen Anwesen, die nicht mehr als solche genutzt werden, den jeweiligen Stallteil in Zukunft gewerblich nutzbar zu machen und zu versuchen, zu verhindern, dass aus Einfirsthöfen im bäuerlichen Oberland Reihenhäuser werden.

Die Diskussion um das Bauleitbild der Gemeinde Weyarn beruht auf den beiden großen Säulen: 

  • Sicherung von bezahlbarem Wohnraum für ortsansässige junge Familien
     
  • Erhaltung der Qualität des dörflichen Lebens durch Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten mit dem dezentralen Gewerbekonzept. 

Dies ist auch der Grund gewesen, warum der Freistaat Bayern die Gemeinde Weyarn als Untervorhaben für das Weltweite Projekt "Dorf 2000" auf der Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover benannt hatte.